Das M-V Derby galt aufgrund der Tabellenkonstellation (3. gegen 4.) als das Topspiel des Wochenendes und es hielt alle Versprechungen. Wechselnde Führungen, viel Kampf und Leidenschaft auf beiden Seiten sowie ein phasenweise sehr hohes Niveau hielten die Zuschauer in der Halle und am Livestream bis zum Schluss im Bann. Ein Segen, dass dieses Match nochmal mit Zuschauern ausgetragen werden konnte. So kam wenigstens ein bisschen Derbystimmung auf.
Vor Beginn der Partie holten die Gastgeber die Verabschiedung von Sebastian Krause nach, die aufgrund des coronabedingten Saisonabbruchs im Frühjahr ausgefallen war. Mit einem Blumenstrauß und einem überlebensgroßen Poster bedankte sich der PSV für die Verdienste in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Den Eindruck, den der gebürtige Berliner offensichtlich in Neustrelitz hinterlassen hat, konnte er in den ersten Wochen an der Küste bereits bestätigen. Ein toller Typ, der allein mit seiner Anwesenheit dem Team Stabilität verleiht.
Die wurde im Verlauf des Spiels auch dringend benötigt. Der erste Satz startete zunächst mit einer Führung der Hausherren. Als der SVW richtig warm war, gelang zunächst der Ausgleich und anschließend eine komfortable 17:13 Führung der Gäste. Der Aufschlag saß und setzte die Mannschaft von Trainergespann Goertz/Heß mächtig unter Druck. Dazu konnte Kapitän Ole Ernst wieder der Durchschlagskraft auf allen Positionen vertrauen und verteilte dementsprechend variabel. Das war streckenweise ganz großes Kino. Und das gegen einen Gegner, der weiß wo der Frosch die Locken hat. 25:18.
Der zweite Satz stand dann wie ein Sinnbild für das gesamte Spiel. Jeder Beteiligte durfte (fast) alle emotionalen Zustände durchleben, die ein echtes Derby zu bieten hat. Der Spielverlauf im Steno-Format:
Warnemünde kommt nicht gut aus der Satzpause, 1:7.
Lübcke kommt für Kopij, Warnemünde schüttelt sich und dreht auf, 14:11 und 18:15.
Neustrelitz hält dagegen, aber Warnemünde bleibt vorn, 21:19.
Neustrelitz gleicht aus und geht in Führung, 21:21 und 23:21.
Neustrelitz nutzt die Gelegenheit und macht zu, 25:21.
Unfassbar, dass der SVW nach der Aufholjagd am Anfang und der beeindruckend herausgespielten Führung den Sack nicht zukriegt. Aber der Gegner ist halt ein gutes Team, das genauso zu kämpfen bereit war. Also Satzausgleich, statt 2:0 Führung. Psychologisch nicht gut.
Und es kommt noch schlimmer. Neustrelitz gelingt ein Sahnestart in den Dritten. Auste und Orzelski dreschen jetzt alles rein. Der PSV-Block vernagelt das Feld zusätzlich. 4:10. Brenzlige Situation. Aber der bärenstarke Tommy Mehlberg schießt sein Team von der Aufschlaglinie zurück ins Match. Ein Aufschlag- und Pipegewitter bricht in der Strelitzhalle aus. Dazu Rode mit Gewalt durch die Mitte. Kopij zieht nach und schießt nur noch aus der 3. Etage, während Krause und Ernst gekonnt die Strippen ziehen. Perfektes Zusammenspiel der Rot-Schwarzen! Ab 11:11 ist das Spiel wieder ausgeglichen und wogt ständig hin und her.
Bei 17:20 dann wieder deutlicher Vorteil PSV. Es folgt die Überraschung, die offensichtlich von langer Hand geplant war. Kapitän Ernst nimmt sich und Krause raus und bringt Stancak (Z) und Krabel (D). Letzterer zunächst unauffällig, während der neue Zuspieler gleich mal über Kopf auf Mehlberg passt und der den Startschuss gibt. Volles Programm diagonal. Kurz danach steht es 21:21. Konstantin Rode serviert danach einen Aufschlag nach dem anderen, sammelt selbst alles ein was geht und Rino Stancak spielt dem Block Knoten in die Beine. Der wuchtige Orzelski beendet schließlich den Satz mit einem Angriff ins Aus. 25:21. Puh!
Der Vierte beginnt wieder relativ ausgeglichen. Der SVW trotzdem immer leicht im Vorteil; wirkt souveräner, auch wenn das Spielniveau etwas sinkt und Eigenfehler auf beiden Seiten zunehmen. Ein guter Aufschlag von JP Krabel bringt das 13:9; ein krachender Block von ihm und Sören Schröder wenig später das 18:14. Noch war das Ding aber nicht durch. Der Spielverlauf hat gezeigt, was alles passieren kann. Und die Gastgeber, lassen nicht nach; wollen und können keine Demütigung in eigener Halle zulassen. Nur noch 20:19! Angriff von Mehlberg abgewehrt, aber es folgt die 2. Chance, und während sich alles auf den nächsten Pass konzentriert legt Stancak dem Gegner ein dickes Ei ins Nest. Finte zum 21:19. Wenig später besorgt der starke Sören Schröder den ersten Matchball. Am Ende macht JP Krabel den Sack zu. 25:22! Unglaublich geil!
Nachdem der PSV dem SVW zuletzt – u.a. im Pokal – gehörig das Fürchten lehrte und nach dem guten Saisonstart vor Selbsbewusstsein strotzte, gelingt ein toller Sieg auf fremdem Boden. Beide Teams liefern Volleyball vom Feinsten, beste Werbung! Sollte die Entwicklung dies- und jenseits der Müritz so weitergehen, sind auch in Zukunft hochklassige M-V Derbys zu erwarten.
Die Dramaturgie des Spiels war dabei fast wie im Film, in dem sich Goldjunge Stancak einfach selbst spielte. Er kommt rein, wenn es auf Kipp steht und macht sein Ding.
„Beide Teams haben im Verlauf einige Chancen liegen gelassen. Wir zum 2:0 und Neustrelitz zum 2:1. Mit einer geilen Teamleistung haben wir das hier aber gerissen.“ zeigte sich der Kapitän anschließend euphorisch. Tommy Mehlberg meinte: „Wir haben alle zusammen unser Spielkonzept erarbeitet und den Glauben daran nicht verloren. Die Teamarbeit war großartig!“
Mit diesem Sieg starten die Rot Schwarzen in einen Monat, der es in sich hat. Am 15.11. kommt Tabellenführer Lindow-Gransee die OSPA Arena, dann folgt Moers, dass den Aufstieg in die Bundesliga anpeilt. Am Monatsende geht es dann zum ewig jungen Ostseeduell nach Kiel. Eine Menge Gegenwind wird die Jungs von Jozef Janosik also erwarten, der dann hoffentlich wieder auf der Bank sitzen kann. Derzeit geht die Genesung gut voran, braucht aber einfach noch Zeit.
Am kommenden Wochenende ist spielfrei und damit Gelegenheit, etwas zu regenerieren bevor das schwere Heimspiel gegen den Topfavoriten auf die Meisterschaft ansteht. Schaffen unsere Jungs den nächsten Coup und legen auch den Favoriten aus Brandenburg aufs Kreuz?